„Das System Schule ist eine konfliktreiche Bühne mit einem großen Orchester, dessen Instrumente immer wieder neu gestimmt werden müssen, damit ein harmonisches Zusammenspiel entsteht.“ – So steht es im Foyer der Gemeinschaftsschule „Kulturanum“ in Jena. Musik spielt an der Staatlichen Gemeinschaftsschule „Kulturanum“ in Jena eine wichtige Rolle. Alle Lerngruppen sind nach Instrumenten benannt, fast alle altersgemischt: im Untergeschoss die Blasinstrumente (Jahrgänge 1-3), darüber die Schlaginstrumente (Jahrgänge 4-6), ganz oben die Streicher (Jahrgänge 7-9) und darüber die Tasteninstrumente. Wer die Schule in der Mittagspause besucht, hört die Schüler*innen auf ihren Instrumenten üben. Musikalisch-kulturelle Projekte prägen ab Jahrgangsstufe 4 maßgeblich das Schulprofil.
Die Staatliche Gemeinschaftsschule „Kulturanum“ nahm ihre Arbeit im Jahr 2012 zunächst mit einer Untergruppe (1.-3. Jahrgang) und einer Mittelgruppe (4.-6. Jahrgang) auf. Sie wollte von Anfang an eine „Schule für alle“ sein. In beiden Altersgruppen, auch Stammgruppen genannt, lernten vom ersten Tag an Schüler*innen mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf gemeinsam. Geholfen hat das Selbstverständnis aller am Prozess Beteiligten. „Wir wollten eine Schule gestalten, in der alle Kinder entsprechend ihren individuellen Lernvoraussetzungen lernen können“, heißt es in der Bewerbung der Schule. Heute findet der Unterricht für alle Kinder von der ersten bis zur zwölften Klasse jahrgangsübergreifend statt. Eine Stammgruppe besteht immer aus Schülern*innen dreier Jahrgänge. Eine Ausnahme bildet Jahrgang 10. Hier werden die Schüler*innen auf unterschiedliche Schulabschlüsse und/oder den Übergang in die gymnasiale Oberstufe vorbereitet – auch hier findet also gemeinsames Lernen statt.
Die Schule baut den Unterricht so auf, dass alle Schüler*innen individuell gefördert und gefordert werden können. Daher wird im Fach Englisch anhand von Leveln und im Fach Mathematik mit Lernpfaden gelernt. Die Schüler*innen erhalten jeweils einen Lernplan, auf dem beschrieben wird, welche Aufgaben zum jeweiligen Themenbereich bearbeitet werden sollen. Über das Lerntempo und die Wahl der Lernpartner*innen sowie des Lernweges können die Schüler*innen dann selbständig entscheiden. Vor allem durch die Jahrgangsmischung können sich alle in den Stammgruppen gegenseitig unterstützen. Dabei ist es auch kein Problem, wenn das ein oder andere Mal beim Nachbarn abgeguckt wird. „Abgucken in allen Phasen eines Schultages ist eine wundervolle Lernmethode. Manchmal lernen Schüler Sachen voneinander und miteinander, die wir nicht geplant und intendiert hatten. Dann gilt es auch für uns neu zu lernen.“
Im Anschluss an die erste Lerneinheit des Tages folgt das gemeinsame, selbst zubereitete Frühstück in der Stammgruppe. In die Vorbereitung der über 300 Portionen werden alle Schüler*innen mehrmals im Schuljahr einbezogen. Unterstützt werden sie von Eltern und anderen freiwilligen Helfern*innen. Der Unterricht findet in Blöcken statt, je nach Schulstufe von unterschiedlicher Länge. Das projektorientierte Lernen bildet das Herzstück der Schule: Es ermöglicht in kooperativen Lernformen und offenen Lernsettings gelingenden gemeinsamen Unterricht. Im Projektunterricht lernen alle am gleichen Gegenstand und können das auf ihren individuellen Anforderungsniveaus tun.
Im 3-Jahreszyklus werden fächerübergreifend verschiedene Themen aus allen Lehrplanbereichen bearbeitet. Zusätzlich können die Schüler*innen jährlich ein freies Thema wählen. Am Ende jeder Projekteinheit entsteht ein Produkt, welches den anderen Schüler*innen einen Einblick in das Bearbeitete ermöglichen soll. Die Schüler*innen arbeiten sehr selbständig – von der Themenfindung bis hin zur Produkterstellung (z.B. Modelle, Filme, Kunstwerke) und Präsentation. Mehrmals im Monat wird der Unterricht in den Untergruppen durch einen „Draußentag“ ergänzt: Die Schüler*innen erkunden die Umgebung Jenas zu Fuß, Stadt und Umgebung werden zum erweiterten Klassenzimmer. In den Obergruppen tauschen die Schüler*innen einmal wöchentlich für 90 Minuten den Schulalltag gegen die Mitarbeit in Betrieben, Vereinen und Bildungseinrichtungen der Stadt Jena ein – als Teil des Projektes „Raus ins Leben“.
Die Mittagspause bietet den Schüler*innen neben einem Mittagessen auch zahlreiche andere attraktive Angebote. Neben der Musik können die Kinder Sport treiben oder mit Technik experimentieren. Sie werden dazu angeregt, Dinge auszuprobieren und erworbene Fähigkeiten zu vertiefen. An drei Tagen findet nach der Pause verbindlicher Unterricht statt. An den anderen Tagen können die Schüler*innen nach Belieben zu Mittag essen, die vielfältigen Angebote nutzen oder ihre Zeit bis 17 Uhr im Hort verbringen.
Zum Ende des 2. Blocks kündigt Frau Schmidt bei den Hi-Hats die tägliche Feedbackrunde an. Alle Kinder kommen in der Mitte des Raumes zusammen und geben eine ehrliche Rückmeldung darüber, was sie heute erreicht haben. Luis erklärt: „Ich gebe mir einen Stern, weil ich heute alles geschafft haben, was ich mir vorgenommen hatte.“ Marie ist mit sich nicht zufrieden: „Ich gebe mir heute keinen Stern, weil ich zu viel gequatscht habe.“ Anna trägt Einschätzungen in die dafür erstelle Liste ein. Solche Selbsteinschätzungen sind im Schulalltag sehr zentral. Nach den meisten Projektphasen werden Selbsteinschätzungsbögen ausgefüllt. Und jede*r trägt in seinem Logbuch ein, ob die Ziele erreicht wurden. Die Schule sagt: „Es ist uns wichtig, dass die Schüler*innen lernen, sowohl ihre eigene Leistung als auch die ihrer Mitschüler zu bewerten. Nur wer seinen eigenen Leistungsstand kennt und Ursachen für Erfolge und Misserfolge analysieren kann, wird Ziele und Wege für sein weiteres Lernen und Arbeiten bestimmen können.“
Auch die Lehrer*innen geben eine Beurteilung zur ihrer eigenen Leistung ab. Im Anschluss wird dann noch die Einschätzung für die gesamte Klasse gegeben. Bekommt sie heute einen Stern für gutes Arbeiten? Wenn hier eine bestimmte Anzahl erreicht ist, unternimmt die Klasse gemeinsam etwas Schönes. Jeden Freitag entscheiden die Schüler*innen zudem gemeinsam, wer das Lob der Woche mit nach Hause nehmen kann. Zum Wochenausklang lässt jede Stammgruppe die Woche noch einmal Revue passieren, damit sich dann alle in das wohlverdiente Wochenende verabschieden können.
Allerdings würden manche Schüler*innen vielleicht auch noch das Wochenende an der Schule verbringen, denn sie ist für Erwachsene, Kinder und Jugendliche gleichermaßen Lebensraum und lebendiges Orchester, das immer wieder neue Klänge hervorbringt.
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OTZ Artikel
Hurra, Hurra – wir fahren nach Berlin!
Am 25.September 2019 wird der diesjährige Jakob Muth-Preis für inclusive Schulen in Berlin vergeben und wir sind dabei.
Der Jakob Muth-Preis für inklusive Schule zeichnet seit 2009 Schulen aus, die inklusive Bildung beispielhaft umsetzen und so allen Kindern die Möglichkeit eröffnen, an hochwertiger Bildung teilzuhaben und ihre individuellen Potenziale zu entwickeln.
Projektträger sind der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel, die Deutsche UNESCO-Kommission e.V. und die Bertelsmann Stiftung.
Das Pädagogenteam unserer Schule hat sich in diesem Jahr beworben, gemeinsam die Antragsunterlagen ausgefüllt und sich dabei folgenden Kriterien gestellt:
- Schule auf dem Weg zur Inklusion
- Inklusives Lernen
- Inklusion und Leistung
- Inklusion und Gesellschaft
Und wir haben es geschafft und können stolz auf das Erreichte sein.
Die Begründung für die Preisvergabe finden Sie hier:
Eine Delegation aus Schülern, Eltern, Lehrern, Erziehern, Schulbegleitern und Vertretern der Stadt wird den Preis in Berlin in Empfang nehmen.
Wir werden berichten!
Eine Gedankenreise zum Mond
Am 7. Juni war es endlich soweit: Alle Mittelgruppen, Obergruppen und die Schüler/innen der 10E machten sich auf nach Erfurt. Hier erwartet uns das mit 15.000 Besuchern befüllte Steigerwaldstadion. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt hatte zu diesem Event eingeladen. Das Programm wurde mit zahlreichen Mitmachaktionen und Erläuterungen zum Thema Mond eingeläutet. Der aus Greiz stammende Astronaut Ulf Merbold erzählte anschließend von seinen Erfahrungen im All. Als Höhepunkt der Show begrüßte anschließend ein aufgeregtes Publikum den Astronauten Alexander Gerst (erster deutscher Kommandant der Internationalen Raumstation). Er berichtete uns von seinen Erlebnissen auf der ISS. Bekannt ist er natürlich auch für seine fotografische Leidenschaft. So wurden uns zahlreiche Bilder vorgestellt, die einen ganz neuen Blickwinkel auf die Erde zuließen. Schließlich traten wir die Heimreise an – in Gedanken mit vielen tollen Eindrücken von Flügen zur Raumstation, zum Mond und in die unendlichen Weiten.
Kevin Thieme
Das erste Mal … USA
Es klingt nach einer aktuellen Serie auf dem Kinderkanal KIKI, die Jugendliche auf ihrer Reise in die USA begleitet. Für viele Zuschauer ein Traum. Dieser Traum wurde für drei Schüler unserer Schule des 10. Jahrgangs Wirklichkeit. USA for you – UFY organisiert 2x jährlich für 15 So ging es am 13. April 2019 für Hannah, Max und Kevin in eine amerikanische Gastfamilie, in der sie den amerikanischen Alltag kennenlernen. Außerdem engagieren sie sich vor Ort in einem gemeinnützigen Projekt und nehmen an einem Sprachkurs teil. Wir freuen uns sehr, dass sich diese drei „Kulturanumer“ gegenüber zahlreichen Bewerbern aus Thüringen in einem langen Bewerbungsverfahren durchgesetzt haben. Dazu gehörte auch ein auf englisches geführtes Kennenlerngespräch mit den Organisatoren. Mit den besten Wünschen schickten wir Hannah, Max und Kevin auf die lange Reise und verabschiedeten sie in der letzten Englischstunde gebührend mit Kindersekt, Apfelkuchen im USA-Flaggenstyle und je einer Karte mit persönlichen Wünschen für die Reise von Mitschülern und Lehrern. Wir wünschen den dreien eine schöne erlebnis- und erfahrungsreiche Zeit und freuen uns auf den Bericht – in English, of course!!!! 😊
Mandy Hammel
Jugendliche aus Deutschland kostenlos einen USA Aufenthalt. Für die Zeit in den Osterferien wurden auch Thüringer Jugendliche ausgewählt.
Ich schenk dir eine Geschichte
Auch wenn es zum bis offiziellen UNESCO-Welttag des Buches noch ein paar Wochen sind, durften die Hi-Hats und Tomtoms schon vor dem 23. April das Angebot der Stiftung Lesen wahrnehmen. So ist es eine schöne Tradition geworden, dass Buchhandlungen in ganz Deutschland das Welttagsbuch „Ich schenk dir eine Geschichte“ an rund 1 Million Schülerinnen und Schüler verschenken. Darunter auch die Buchhandlung „Albert Steen“ in Jena, die uns zwischen ihren bunt gefüllten Bücherregalen herzlich empfing. Buchhändler Volker Möller laß in diesem Jahr Auszüge aus Roald Dahls Kinderroman „Matilda“ vor. Die gleichnamige Hauptperson des Buches zog die Kinder direkt mit ihren wundersamen und lustigen Begegnungen in der Schule gleich in ihren Bann. Nach der spannenden Vorlesung erhielt jedes Kind das Buch „Der geheime Kontinent“ der Stiftung Lesen und durfte noch nach Herzenslust in der Buchhandlung umher schmökern. Ein schöner Vormittag endete dann noch mit einer Eiskugel aus „Ella’s Café“.
Linda Schmidt